Info

Selbstsam – digiskopale Fotokunst


Ungewöhnlich sind die Bilder des Biologen Jörg Kretzschmar. Auf den ersten Blick ist es Naturfotografie, die hier zu sehen ist. Aber bereits die überlebensgroßen Portraits, welche von den Wänden schauen, erzeugen eine eigenartige Betroffenheit – wir treten in intime Nähe zu einem Wildtier. Und wir können dies, weil es sich hier nicht um konventionelle Fotografie mittels einer Telelinse handelt. Zum Einsatz kamen vielmehr Spektive mit extremer Vergrößerung, also Fernrohre, die Naturbeobachter am Meer oder im Gebirge nutzen, um Teil eines Geschehens zu werden.

Seit über 10 Jahren beschäftigt sich Jörg Kretzschmar mit dieser besonderen Form des Bilderschaffens und hat sich mit einer Vielzahl an Publikationen, Vorträgen und Workshops den internationalen Ruf eines Vorreiters in dieser jungen fotografischen Disziplin – Digiskopie oder scopal imaging genannt – erworben.

Die Ausstellung – selbstsam – zeigt zum ersten Mal Kunst-Fotografie in diesem außergewöhnlichen Verfahren. Jörg Kretzschmar schält seine Beobachtungseindrücke auf existenzielle Momentausschnitte herunter und stellt die Frage nach dem Aussehen eines Augenblicks. Dazu bedient er sich vordergründig des Tieres als Reflexionsfläche eigener Sinn- und Erfahrungssuche.

Der zweite Blick offenbart aber jene anmutigen, bisweilen schwermütigen Eigenerlebnisse, die Leben charakterisieren. Der bildliche Minimalismus ist Teil einer Verdichtung.

Ergebnis sind andersartige Bilder: intensiv in ihrer Nähe, Präsenz und Sinnlichkeit. Die Portraits legen Eigenzustände offen, lassen erzählerische Stränge zutage treten: Geschichten und Aussagen zum Mensch- wie Tier-sein. Selbst‘sam.

Dr. Jörg Kretzschmar (*1967) lebt und arbeitet in Bochum und anderenorts.